Ein neues Gehirn für die Seilwinde
Ende der neunziger Jahre entstand, unter Federführung unseres im Januar 2023 verstorbenen Vereinsmitgliedes Sietze, die heilige Doppeltrommelseilwinde SH-6093. Für den Flugbetrieb steht die Seilwinde in rund 1000m Enfernung zum Startpunkt und schleppt die Segelflugzeuge zügig auf eine Höhe von 300-400m. Ein 320PS starker Dieselmotor treibt dabei eine Hydraulik an, welche wiederum abwechselnd eine der beiden Seiltrommeln antreibt. Seit dem Jahr 2000 ist das gute Stück im Dienst. Eine echte „Millenniumsmaschine“ welche sich bisher sehr bewährt hat.
Auf gewöhnlichen Seilwinden sitzt stets ein ungewöhnlich gut ausgebildeter Mensch, welcher die Schleppgeschwindigkeit manuell steuert. Faktoren wie Wind, Flugzeugtyp und Besatzung machen es für den Menschen auf der Winde dennoch nicht immer einfach, genau die richtige Schleppgeschwindigkeit für das startende Segelflugzeug zu finden. Nicht selten wird über entsprechende Fernmeldetechnik dem Windenfahrer vom Piloten dann „SCHNELLER!“ oder „LANGSAMER!“ zugerufen.
Nicht so auf dem Segelfluggelände in Aukrug. Sietzes Vermächtnis funktioniert automatisch und jeder Segelflugzeugstart wird mit der perfekten Schleppgeschwindigkeit durchgeführt. Dabei steuert ein Wirrwarr aus Kabeln und etlichen Relais und Potentiometern die Hydraulik der Winde. Am Steuerpult der Winde gibt es dann 12 voreingestellte Schleppprogramme für unsere gängigsten Flugzeugtypen zur Auswahl. Zusätzlich wird noch die Gegenwindkomponente für die aktuellen Windverhältnisse eingestellt.
An dem „Gehirn“ aus Kabeln, Potis und Relais haben im Laufe der Jahre viele tüftelnde Menschen herumoptimiert, was es inzwischen jedoch sehr schwierig macht zu verstehen, was in der Steuerung eigentlich passiert. Außerdem hat sich erwiesen, dass eine größere Anzahl an Schleppprogrammen sehr von Vorteil wäre.
Daher beschäftigen sich seit einiger Zeit unsere beiden Kameraden Gerd und Frank damit, die Seilwinde zu digitalisieren. Schluss mit dem Kabelwirrwarr! Bald übernimmt der Computer das Kommando! Manchmal kann man die beiden beobachten. Dann sitzen sie irgendwo herum und versuchen anscheinend ihre gesamte natürliche Intelligenz in einen kleinen Kasten zu konvertieren. Das scheint gar nicht so einfach zu sein. Kleine Rauchwolken über den Köpfen der beiden zeugen davon, dass dort möglicherweise etwas übernatürliches passiert. Bekommt unser kraftsprotzendes Heiligtum aus Stahl und Hydrauliköl womöglich bald eine künstliche Intelligenz? Eine KI die es vielleicht sogar möglich macht, aus 1000 Metern Schleppstrecke eine Ausklinkhöhe von 2000 Metern zu erreichen ???
Die kommende Segelflugsaison wird es zeigen. Irgendwann wird nämlich Gerds und Franks kleines magisches Kästchen probehalber an die Hydraulik der Seilwinde angeschlossen. Einen freiwilligen wird es dann geben müssen, der von der Winde, anhand der neuen Steuerung, das erste mal in die Luft gezogen wird. Derjenige oder diejenige wird vermutlich sehr gespannt darauf sein was dann passiert.